Reit- und Voltigierhalle

Zur Geschichte der Reit- und Voltigierhalle

1793   
Der Bau der Reit- und Voltigierhalle der Erziehungsanstalt Schnepfenthal begann an dem Ort, an dem sich zuvor ein Reitplatz befand.Der Bau wurde von Carl Christoph Beßer, dem Baumeister Herzog Ernsts II. von Sachen-Gotha-Altenburg, beaufsichtigt. Die finanziellen Mittel für den Bau waren begrenzt, weshalb man viele regionale Produkte und Materialien verwendete.2

1804   
Das Bauwerk wurde eingeweiht und die darauffolgenden vier oder fünf Jahre zum Reiten verwendet. Danach konnten die geliehenen Pferde nicht mehr finanziert werden. Später fand wieder Reit- und Voltigierunterricht in dem Gebäude statt.3 Die Eltern mussten jedoch eine Sondergebühr dafür bezahlen. In dem Zeitraum, als es keine Pferde an der Schule gab, wurde das Gebäude für die Lagerung von landwirtschaftlichen Geräten verwendet.

1834   
Das fünfzigjährige Stiftungsjubiläum der Erziehungsanstalt Schnepfenthal fand in der Reit- und Voltigierhalle am 7. März statt. Zu diesem Anlass wurde das Gebäude festlich geschmückt. Dafür wurden unter anderem der Boden gedielt, die Wände geweißt und der Raum mit 556 Lampen sowie 300 Farbkugeln versehen. Unter den 300 Gästen befand sich Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha.4

bild1 Die Reit- und Voltigierhalle zum fünfzigjährigen Stiftungsjubiläum.


1884   
Das hundertjährige Stiftungsjubiläum wurde am 4. und 5. Juni gefeiert. Aus diesem Anlass wurde das Bauwerk abermals in einer ähnlichen Art und Weise, wie es bereits 1834 der Fall war, geschmückt. Zu diesem Fest wurden fünf große Tafeln in dem Gebäude aufgestellt, damit die fast 500 Gäste Platz hatten. Des Weiteren gab es eine Quertafel für Ehrengäste wie Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha oder Herzog Nikolaus von Württemberg.5

bild2 Die Reit- und Voltigierhalle zum hundertjährigen Stiftungsjubiläum.

 

bis 1942
Das Gebäude diente als Lagerhalle für Wagen, Geräte und einfache Rohstoffe wie Getreide und Kohlen für die Heizung der Gebäude. Möglicherweise handelte es sich unter anderem um Wagen und Bauteile der Waggonfabrik in Gotha. An
der Stelle des heutigen Küchenanbaus befand sich eine 50-Meter-Schießbahn für Luft- und Kleinkalibergewehre.

bild3 Früherer Ort der Schießbahn

 

Herbst 1942
Im Rahmen der Wiederherstellung der Reitbahn wurde die Halle ausgeräumt, und der Boden mit Gerberlohe bedeckt, welche einen rutschfesten, federnden Untergrund zum Reiten bot.6

Ende Oktober 1942
Der Reitsport wurde mithilfe Fräulein v. Maltzahns und ihrer Reitschule in Salem, Baden-Württemberg, wieder aufgenommen, wobei sowohl in der Reitbahn als auch draußen an frischer Luft geritten wurde.7

1945/46
Nach Kriegsende kamen Flüchtlinge aus ehemaligen deutschen Ostgebieten, welche auch an der Erziehungsanstalt Schnepfenthal aufgenommen wurden, wobei die Reithalle möglicherweise als Unterkunft infrage kam.

bis Sanierung in 2004
Das Gebäude wurde über mehrere Jahrzehnte als Lager- und Abstellort für Heizkohlen, Streusalz, Getreide und Düngemittel verwendet. Auf dem Schießstand wurde im Rahmen der vormilitärischen Ausbildung auch in der DDR      geschossen, was nach der Wende allerdings entfiel. Neben der Schießbahn befand sich noch eine Tischlerei für verschiedenste Holzarbeiten, welche vom Tischlermeister Hr. Creuzburg aus Schnepfenthal geführt wurde.

2006   
Die Sanierung des Schulkomplexes und somit auch der ehemaligen Reit- und Voltigierhalle wurde fertiggestellt.8

seit 2006
Heute ist die ehemalige Reit- und Voltigierhalle die Mehrzweckhalle des Spezialgymnasiums für Sprachen. Im Alltag dient sie als Kantine und zentraler Versammlungsort. Zu Veranstaltungen wie Konzerten, Fasching und dem Winterball bietet das Gebäude mit einer mobilen Bühne einen ausgezeichneten Saal für bis zu 600 Personen.


Architektur der Reithalle
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Die heutige Mensa der Salzmannschule ist nicht nur wegen ihres Alters von über 200 Jahren eine Besonderheit. Die Architektur dieses Gebäudes ist mit Blick auf die freitragende Decke mit einer Breite von knapp 20 Metern eine Seltenheit. Freitragend nennt man im Bauwesen ein Element wie etwa eine Brücke oder ein Dach, das ohne stützende Elemente auskommt und sich somit selbst trägt. Die nötige Statik der Mensa ergibt sich aus dem Ableiten der wirkenden Kräfte auf das Seitenmauerwerk. Das Dach ist an einem Hängepfosten aufgehängt und überträgt den Druck der Streben unmittelbar in die auf der Mauer aufliegenden Balken. Das Gesamtkonstrunkt nennt man daher ,,doppeltes Hängesprengwerk''.

Durch die Lagerung von Düngemittel und Getreide wurde das Holz des Dachstuhles sowie das Bruchsteinmauerwerk über die Jahre nachhaltig geschädigt und angegriffen. Deshalb mussten bei der Sanierung in den Jahren 2005 und 2006 einige Balken abgeschliffen und einzelne sogar ausgetauscht werden. Ansonsten ist der Dachstuhl noch so, wie er im Jahre 1804 fertiggestellt worden ist.  Die Mauern wurden trockengelegt und durch Einspritzen aushärtender chemischer Stoffe vor erneuter Durchfeuchtung in das Mauerwerk geschützt. Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, musste jede bauliche Veränderung genehmigt werden, was die Architekten bei der Sanierungsplanung vor einige Herausforderungen stellte. 
Das Einsetzen der Türen in die Seitenwände, sowie die Integration des neugestalteten Anbaus, in dem sich heute die Schulküche befindet, waren dringend nötige Maßnahmen und wurden somit genehmigt. Die Halle in ihrer heutigen Form hat allerdings noch einige ursprüngliche Elemente: die Deckenbalken samt Nietnägeln, der Eingangsbereich mit den nachgefassten Fensterbögen und der Dachboden erhalten dem Gebäude somit seinen alten Charakter.

bild4 Doppeltes Hängesprengwerk im Dachstuhl der Mensa.


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1
 Müller, Johannes Ludolf: Die Erziehungsanstalt Schnepfenthal 1784-1934 Festschrift aus Anlass des hundertjährigen Bestehens der Anstalt. Schnepfenthal 1934.
2 Salzmann, Christian Gotthilf: Ankündigung einer neuen Erziehungsanstalt. In: Brockhaus, Albert; Geibel jun., Carl; von Weiss, Christian: Festschrift zur hundertjährigen Jubelfeier der Erziehungsanstalt Schnepfenthal. Schnepfenthal 1884.
3 Ausfeld, Johann Wilhelm: Prospectus der Erziehungs-Anstalt zu Schnepfenthal bei Gotha. Gotha 1853, S. 17.
4 Salzmann, Dr. Wilhelm Gotthilf: Schnepfenthal´s fünfzigjähriges Stiftungsjubiläum zur treueren Erhaltung seines Andenkens beschrieben. Schnepfenthal 1834.
5 Sammelschrift: Die Feier des hundertjährigen Bestehens der Erziehungsanstalt Schnepfenthal. Leipzig 1884.
6 Müller, Johannes Ludolf: Schnepfenthäler Nachrichten Jahrgang 1942 Nr. 1. Altenburg 1942, Verlag der „Vereinigung Alter Schnepfenthäler (VAS)“, S. 6.
7 ebd.
8 Baubericht Januar 2005. Gotha 2005, AIG Gotha GmbH, S. 3.
9 Unterlagen AIG Gotha GmbH

Quellen, alphabetisch geordnet  

  • Ausfeld, Johann Wilhelm: Prospectus der Erziehungs-Anstalt zu Schnepfenthal bei Gotha. Gotha 1853.
  • Baubericht Januar 2005. Gotha 2005, AIG Gotha GmbH, S. 3.
  • Müller, Johannes Ludolf: Die Erziehungsanstalt Schnepfenthal 1784-1934 Festschrift aus Anlass des hundertjährigen Bestehens der Anstalt. Schnepfenthal 1934.
  • Müller, Johannes Ludolf: Schnepfenthäler Nachrichten Jahrgang 1942 Nr. 1. Altenburg 1942, Verlag der „Vereinigung Alter Schnepfenthäler (VAS)“, S. 6.
  • Salzmann, Christian Gotthilf: Ankündigung einer neuen Erziehungsanstalt. In: Brockhaus, Albert; Geibel jun., Carl; von Weiss, Christian: Festschrift zur hundertjährigen Jubelfeier der Erziehungsanstalt Schnepfenthal. Schnepfenthal 1884.
  • Salzmann, Dr. Wilhelm Gotthilf: Schnepfenthal´s fünfzigjähriges Stiftungsjubiläum zur treueren Erhaltung seines Andenkens beschrieben. Schnepfenthal 1834.
  • Sammelschrift: Die Feier des hundertjährigen Bestehens der Erziehungsanstalt Schnepfenthal. Leipzig 1884.
  • Unterlagen AIG Gotha GmbH